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Verhandeln

Einführung

  • Verhandlen ist eine Methode der Kommunikation in Konfliksituationen.
  • Konflikte liegen vor, wenn Menschen unterschiedliche Motive haben, die auf unterschiedliche Ziele ausgerichtet sind und schwer oder gar nicht vereinbar sind.
  • 3 Möglichkeiten, Konflikten zu begegnen
    • Streiten (Kommunikation zwischen Parteien ist gestört, Machtkampf) → kostet Zeit und Geld
    • Schlichterspruch (Parteien können sich nicht einigen) → Entscheidung wird vielleicht nicht akzeptiert
    • Verhandeln (offener Dialog zwischen den Parteien ohne sich zu schaden und ohne Dritte)
  • Definition: Verhandeln ist der Versuch, einen Konflikt durch die Diskussion zwischen den Konfliktparteien zu lösen, mit dem Ziel, eine Einigung zu erzielen.

Sachbezogenes Verhandeln

  • Es gibt drei Arten der Verhandlungsführung
    • harte Verhandlung
      • häufigster Stil
      • führt schnell zu Vorbringen von und Gerangel um Positionen
      • Verhandlungspartner ist Gegner, der mit Drohungen, Druck, Tricks beharkt wird
      • Folge: "Gegner" wechselt meist auch zum harten Stil → Hochschaukeln des Konflikts
      • häufiger Ausgang: Abbruch oder Kompromiss nach ewig langer Diskussion → schlechte Stimmung und negative Auswirkung auf zukünftige Verhandlungen
      • (+) Durchsetzen der eigenen Interessen um jeden Preis
      • (+) wer hartnäckiger ist und länger durchhält, gewinnt
      • (-) provoziert unkluge Entscheidungen
        • den Interessen wird keine Beachtung geschenkt
        • es werden nur Argumente für die eigene und gegen die andere Position gesucht
            * (-) ineffizient -> Grabenkampf
            * (-) Beziehung wird geschwächt (Gewinner/Verlierer)
          * weiche Verhandlung
            * häufig von Frauen angewandt
            * schlecht, insb. wenn kombiniert mit hartem Stil -> weicher Partner wird über den Tisch gezogen      
            * (+) Konflikte sollen vermieden werden, persönlicher Kontakt steht im Mittelpunkt
            * (+) gute Beziehung soll erhalten werden
            * (-) schlechte Stimmung im Nachhinein, weil meist zu schnell nachgegeben wurde
            * (-) Zugeständnisse werden gemacht, nur vermeintliche Zustimmung
            * (-) Enttäuschung, Frustration
          * sachbezogene Verhandlung -> der beste Weg
            * (+) effizient, offen/flexibel, vernünftiges Ergebnis, gute Beziehung

          * Kriterien einer guten Verhandlungsstrategie

    • Es wird eine vernünftige Einigung erreicht, wenn die Vorgaben dies ermöglichen.
    • Ein effizientes Verhandeln, das ein vernünftiges Verhältnis zwischen Aufwand (Zeit/Nerven) und Ergebnis bietet.
      * Das Verhältnis zwischen den Parteien sollte **nicht unnötig belastet** werden. 

      * Sachbezogenes Verhandeln

    • soll ohne die Beziehung zum Verhandlungspartner zu belasten effizient zu vernünftigen Lösungen führen
    • keine Tricks anwenden, sondern Win-Win-Situation erreichen
      * Die vier Elemente sachbezogenen Handelns
        * Menschen und Sachfragen getrennt behandeln
        * Interessen und Positionen trennen 
        * Optionen zu beiderseitigem Vorteil entwickeln     
        * Neutrale Beurteilungskriterien 
        * Die beste Alternative entwickeln      

      ==== Menschen und Sachfragen getrennt behandeln ====

  • Verhandelnde (Menschen) haben zwei Bedürfnisse: Ziele erreichen und gut behandelt zu werden
  • aggressives (hartes) Verhandeln missachtet Bedürfnis nach Anerkennung und Respekt
  • Sachebene: Inhalte, Positionen und Interessen
  • persönliche Ebene: Anerkennung, Demütigung, Freundlichkeit und Feindlichkeit
  • Das "Problem Mensch" hat Vorrang vor Sachfragen, da schlechte Stimmung z.B. zur Ablehung eines eigentlich guten Abschlusses führen kann
  • Probleme beim Verhandeln
    • wahrgenommene Gefühle ansprechen
      • Wahre Gefühle herausfinden: Ist der Verhandlungspartner verärgert oder nur müde?
      • Partner kann Dampf ablassen → keine Verteidigung oder gar Gegenangriff starten!
      • Nachdem Dampf raus ist fragen, ob normal weiter verhandelt werden kann
    • Parteien haben unterschiedliche Sichtweisen
      • Versuchen, die Sichtweise der anderen Partei und ihre Interessen herauszufinden
      • Niemals die Absicht des Partners aus den eigenen Befürchtungen ableiten
      • Durch Nachfragen kann man die Interessen der Gegenseite herausbekommen
    • Gestörte Kommunikation
      • Die Kommunikation kann gestört werden, man redet aneinander vorbei
      • Dem Partner zuhören und ggfs. wichtige Punkte selbst zusammenfassen
      • Selbst eindeutige Aussagen treffen, die nicht missverstanden werden können
      • Aus der eigenen Sicht erzählen und nicht den Partner angreifen
    • Aufbauen einer guten Beziehung
      • Persönlicher Kontakt im Vorfeld macht vieles einfacher (→ Buch ausleihen)
      • in informellen Gesprächen können erste Informationen ausgetauscht werden
      • den Partner nicht als Feind sehen, sondern als Partner

Interessen und Positionen trennen

  • Interessen <> Positionen (→ Beispiel Streit in der Bibliothek)
  • Positionen überdecken meist die Interessen
  • Interessen sind die Motive des eigenen Handelns
  • Interessen können meist durch mehrere Positionen erfüllt werden → Finden der besten Lösung für beide Parteien
  • Sachbezogenes Handeln konzentriert sich auf Interessen und nicht auf Positionen
  • Interessen herausfinden
    • Frage nach dem Warum stellen → Grund für Position des Partners
    • Frage nach dem Warum nicht stellen → Grund für Ablehnung der eigenen Position
    • Vor der Verhandlung intensiv die eigenen Interessen (und die der Gegenseite) ergründen → flexibel für verschiedene Lösungen
    • Während der Verhadlung: Fragen nach den Interessen des Verhandlungspartners → eigene Überlegungen können falsch sein
    • Offene Diskussion über Interessen → eigene Interessen zuerst offenlegen
  • Wie gehe ich mit meinen Interessen um?
    • Vor der Verhandlung müssen die eigenen Interessen eindeutig klar sein
    • Forderungen immer direkt mit dem Interesse begründen → Gegenseite kann darauf eingehen
    • eigene Interessen müssen hartnäckig vertreten werden, sonst ist das Ergebnis kein Erfolg → es kann aber durchaus verschiedene Lösungen geben
  • Wie gehe ich mit den Interessen der Gegenseite um?
    • Keine Drohungen, Zwang oder Demütigung!
    • Interessen der Gegenseite sind Teil meines Problems → keine Einigung ohne Erfüllung der Interessen
    • zuerst alle Positionen anhören, dann Interessen ergründen, dann Einigung suchen

Optionen zu beiderseitigem Vorteil entwickeln

  • Die Interessen der Gegenseite zu kennen ist die Basis für alle Lösungen
  • Ideen entwickeln → angespannte Situation bei Verhandlung ist der Tod für jegliche Kreativität → Lösung Brainstorming
  • Nicht zu schnell auf eine Lösung fixieren, sondern offen bleiben für andere Vorschläge → Ziel ist das Finden von mehreren Lösungen zum Ende der Verhandlung
  • Versuchen das Problem von verschiedenen Standpunkten (Kunde, Architekt, Stadt, Bank etc.) aus zu sehen mit unterschiedlichen Tragweiten (dauerhaft <> vorläufig, bedingungslos <> bedingt, selbst lösen <> Schlichterspruch, Sache <> Vorgehen)
  • Gemeinsame Interessen finden → wo sind hier die Vorteile bzw. Nachteile bei Nicht-Einigung → Basis für Umsetzungsmöglichkeiten
  • Unterschiedliche Interessen verschmelzen → wenn der Partner etwas anderes will, ist das eine Chance! (Beispiel Orange)
    • Form <> Inhalt, Wirtschaft <> Politik, intern <> extern, Praxis <> Theorie, Fortschritt <> Tradition, Fremdproduktion <> Eigenproduktion
  • Unterschiedliche Prognosen/Risikobereitschaft → Beispiel Fußallspieler
  • Suchen nach Dingen, die uns wenig kosten, der Gegenseite aber viel bringen und umgekehrt
  • Wenn nicht klar ist, was dem Partner wichtiger ist, zwei ähnliche hypothetische Alternativen vorstellen und nach Präferenz fragen → Beispiel Fußballspieler

Neutrale Beurteilungskriterien

  • Wenn die Verhandlung stockt und sich die Interessen nicht vereinbaren lassen, müssen wir den Partner überzeugen (→ nicht zwingen)
  • Neutrale Kriterien sind Argumente, die nicht Ihrer Willkür oder Ihren Wünschen entspringen, sondern die von vielen anderen Menschen in ähnlichen Situationen akzeptiert werden.
  • Beispiele: Gesetze, gängige Praxis, Vergleichsfälle, Gutachten, Meinungen neutraler Personen (Sachverständiger), Benchmarks, Marktwert, Auswirkungen, Kosten, Moral, Fairness, Gegenseitigkeit
  • Verhandlung mit neutralen Kriterien → Beispiel Schadenssumme Versicherung
    • Streitfall umfunktionieren zur gemeinsamen Suche nach neutralen Kriterien
    • Selbst nur anhand neutraler Kriterien argumentieren und auch nur neutrale Kriterien der Gegenseite zulassen
    • Selbst keinen Druck ausüben und auch keinem Druck nachgeben. Nur objektive Kriterien zählen!
  • Beispiele für nicht-neutrale Kriterien: "Sie vertrauen mir doch?", Bestechung, Drohung

Die beste Alternative entwickeln

  • Was tun, wenn die Gegenseite mächtiger ist?
  • Wie schütze ich mich vor Einigungen, die ich besser nicht eingehen sollte?
    • Setzen einer persönlichen Grenze, ab der nicht mehr weiter verhandelt wird
    • Setzt voraus, dass Alternativen bestehen → Finden der besten Alternative → so weit wir möglich konkretisieren
    • Macht in der Verhandlung hängt nur von Vorhandensein von Alternativen ab! → Beispiel Lampenverkäufer auf Basar
    • Zusätzlich einen Stolperdraht ziehen, der über Alternative aber weit unter Einigung liegt → wenn erreicht, Verhandlung am besten pausieren
  • Wie kann ich das Beste aus einer ungleichen Ausgangslage machen?
    • Analyse der besten Alternative des Partners, die von diesem vielleicht überschätzt wird → Partner überzeugen, dass Einigung besser ist
  • Was tun, wenn die andere Seite nicht sachbezogen verhandelt?
    • Trotzdem weiter sachbezogen verhandeln → wirkt ansteckend
    • Gegner darf mit Druck nicht weiterkommen, dann wechselt er hoffentlich zu neutralen Kriterien
    • Die Macht liegt in der guten Athmosphäre, im Verstehen der Interessen des anderen, in der Entwicklung eleganter Optionen, in der Anwendung neutraler Kriterien und im Entwickeln der besten Alternative
  • Verhandlungsspielraum
    • Der Verhandlungsspielraum wird durch die absolut untere Grenze des Verhandelnden beschränkt

Professionelle Vorbereitung

  • Eine gute Vorbereitung ist essentiell für erfolgreiche Verhandlungen!
  • Interessen herausfinden
    • Weiß ich genau, auf was es mir in der Verhandlung ankommt, was ich erreichen will, was mein Ziel ist?
    • Was könnten die Interessen des Verhandlungspartners und anderer Beteiligter sein?
    • Welches sind meine Kerninteressen, und die der Gegenseite?
  • Szenarios entwickeln
    • Wo passen meine Interessen und die Interessen der Gegenseite gut zusammen, wo widersprechen sie sich?
    • Wie könnten Optionen (mögliche Einigungen) zum größtmöglichen beiderseitigen Nutzen aussehen?
  • Alternativen erkennen
    • Was werde ich konkret tun, wenn wir uns nicht einigen?
    • Wie sieht meine beste Alternative zu einer Einigung in der Verhandlung aus?
    • Weiß ich, wie die beste Alternative der Gegenseite aussieht?
  • Kommunikation erleichtern
    • Sind meine Interessen, Positionen und neutrale Kriterien so formuliert, dass die Gegenseite zuhören wird? Wie formuliere ich diese Dinge so, dass mein Verhandlungspartner sie richtig versteht?
    • Weiß ich, worauf ich hören und achten will?
  • Beziehungen reflektieren und nutzen
    • Wird unsere Arbeitsbeziehung vermutlich schwierig oder gut sein?
    • Wie werde ich mit schwierigen/unfairen Verhandlungspartnern umgehen?
    • Habe ich schon bestehende Beziehungen bedacht und genutzt, die mir einen Vorteil in der Verhandlung bringen könnten?
  • Forderungen mit neutralen Kriterien untermauern
    • Habe ich neutrale, auch von der Gegenseite akzeptierte Kriterien (externe Standards, Präzedenzfälle, Benchmarks), anhand derer ich meine Positionen und Forderungen untermauern kann?
    • Wie gehe ich damit um, wenn die andere Seite versucht, mich unter Druck zusetzen?
  • Schritte bis zum Abkommen planen
    • Habe ich die Schritte bis zu einer Einigung mit meinem Verhandlungspartner abgesteckt?
    • Ist mir die Art der Verpflichtung klar, die ich am Ende der Verhandlung erwarten kann?
    • Weiß ich, welche Person der anderen Partei die Befugnis besitzt, Verpflichtungen einzugehen?

Erfahrungen aus den Rollenspielen

  • Interessen anstatt Positionen ergründen
    • schwierig nicht schon zu Lösungen zu kommen
    • Partner fühlt sich motiviert zu kooperieren anstatt weiterhin auf Positionen zu beharren
    • man kommt leicht ins Argumentieren um seine Interessen zu begründen
    • Vorbereitung ist wichtig, um passende Optionen zu haben
    • Frage nach dem "Warum" kann Widerstand auslösen
    • erst wenn man die Interessen kennt, kann man Optionen finden
se/verhandeln.txt · Zuletzt geändert: 2014-04-05 11:42 (Externe Bearbeitung)